Ich denke oft an Piroschka

Ich denke oft an Piroschka

„Ich denke oft an Piroschka” wurde  1955 nach dem gleichnamigen Roman von Hugo Hartung gedreht und erreichte weltweit einen großen Erfolg. Aber er ist zweifellos in Deutschland am populärsten geworden.  Der Film ist ein „Imagefilm” für Ungarn und machte für das Land über Jahrzehnte populär.
Viele Deutsche kamen eben auf die Wirkung dieses romantischen Films nach Ungarn, um sich die Pussta anzusehen, ob sie wirklich so schön ist wie in dem Film.
Aber warum hat Hugo Hartung für seinen Roman eben Ungarn als Tatort ausgesucht? Was hat ihn dabei und bei der Auswahl des Themas inspiriert? Oder vielleicht wer?

Greta oder Piroschka?

Noch in der zweiten Hälfte der 1990-er Jahre wurde ich als Reiseleiterin von deutschen Gästen häufig gefragt, ob der Film „Ich denke oft an Piroschka” in Ungarn auch so erfolgreich war und solche Begeisterung bei den Zuschauern erreichte, wie in Deutschland und ob ich den Namen der Bahnstation im Film aussprechen kann.
Bei der Stellung dieser Fragen habe  ich nur mit großen Augen geguckt und erklärt, dass die Ungarn diesen Film überhaupt nicht kennen.
Kein Wunder. Der Film wurde in Ungarn nie vorgestellt, obwohl sich die ganze Handlung in Ungarn abspielt.
Aber worum geht es in dem Film?

Wie schon der Titel, „Ich denke oft an Piroschka” ahnen lässt, geht es wahrscheinlich um eine romantische Liebe.
Tatsächlich ist es so, es geht natürlich um die Liebe.
Ein deutscher Stundent, namens Andreas, gespielt von Gunnar Möller kommt 1925 als Austauschstundent nach Ungarn, in die Pussta.
Auf einem Schiff fuhr er bis Budapest.
Zwar dauerte die Fahrt nicht lange, trotzdem hat die Zeit für ihn gereicht, um sich auf dem Schiff  in Greta zu verlieben.
Die Freude ihres Zusammentreffens konnte allerdings nicht lange andauern, weil Greta zum Plattensee, nach Siófok und Andreas mit dem Zug weiter, in die Pussta, nach Hódmezővásárhely-Kutasipuszta fahren musste.
Ja, das  ist der Name der durch den Film bekannt gewordenen Bahnstation, deren Aussprache mir immer große Ovationen bei den Deutschen eingebracht hat, obwohl das für eine waschechte Ungarin keine Kunst ist.
Andreas scheint relativ schnell seine Greta vergessen zu haben oder sie rutschte bei ihm mindestens auf den zweiten Platz.
Warum?
Dabei spielte Piroschka, die hübsche Ungarin, die  Tochter des Bahnhofstationsleiters von  Hódmezővásárhely-Kutasipuszta, die von  der hübschen Liselotte Pulver dargestellt wurde, eine große Rolle.
Auf einem Tanzfest verlieben sich Andreas und Piroschka ineinander.
Das Drama kommt mit der Ankunft der Ansichtskarte von Greta an, die ihn nach Siófok einlädt.
Piroschka bleibt aber auch nicht zu Hause und „taucht“ unerwartet in Siófok auf, als Andreas Greta trifft.
Dort, in dem Moment versteht aber Andreas sofort, wen er wirklich liebt. Das ist aber  fast  schon zu spät, weil Piroschka ihn nicht mehr sehen will.
Erst einen Tag vor seiner Abfahrt nach Hause kommen sie wieder zusammen und durch die Emotionen geführt hält Piroschka sogar seinen Zug auf und dabei verspricht Andreas ihr, zu ihr zurückzukommen.
Das hatte er zwar fest vor, es ist  aber in der Wirklichkeit nie  passiert.
So weit geht es mit der Geschichte des Buches und des Filmes.

Von Katalin-„Piroschka“  bis zu der „Knödelakademie“

Aber wie kam Hugo Hartung auf die Idee, die Handlung von „Ich denke oft an Piroschka“ in die ungarische Pussta zu versetzen?
Woher nahm er diese romantische Geschichte?
Aus seinen eigenen Erlebnissen.
Ja, ja,  sehen Sie, was die Liebe macht?
Wie war es eigentlich?
Als 19-jähriger Student kam Hugo Hartung 1921 für einen Sommer nach Ungarn  zu der ungarischen Apotheker- Familie Késői.
Dabei verliebte er sich in deren 12-jährige Tochter, Katalin, wie man es aus dem Buch von Dietmar Grieser  „Weltreise durch Wien“ (Deutscher Taschenbuch Verlag 2002) erfahren kann.
Die Liebe war gegenseitig und als Hugo Hartung nach Hause fuhr, schickte er mehrere Briefe seiner lieben Katalin, die sie aber nie lesen durfte.
Ja, das waren andere Zeiten damals und es war unvorstellbar, dass ein Mädchen aus einem guten Haus mit einem um 7 Jahre älteren Jungen korrespondiert!
Ihre Eltern zeigten ihr nie die Briefe von Hugo Hartung.
Er hat sie aber nicht vergessen können und als er schon als Schriftsteller in Berlin nach einem Thema für seinen neuen Roman suchte, schrieb er über seine eigene Liebe mit Katalin Késői und nannte sie im Roman Piroschka. So ist das Buch  „Ich denke oft an Piroschka” entstanden.
Dass der Film weltweit  zum Bestseller geworden ist,  ist sicherlich nicht nur dem niedlichen Thema, sondern auch der unnachahmlichen deutschen Aussprache von Piroschka zu verdanken, nach der man sofort weiss, das sie eine Ungarin ist.
Über dies alles  wusste aber eben die Betroffene, Katalin- „Piroschka”gar nichts. Warum?
Da der Roman und der Film zwar in unzählige Sprachen übersetzt wurden, gab es aber eine Ausnahme. Das ist die Sprache des Landes, wo eben die Wurzeln dieser niedlichen Romanze sind: das Ungarische.
Erst viele Jahre später erfuhr Katalin Késői, dass sie nicht nur in die Lieteratur, sondern auch in die Filmkunst  unter dem Namen „Piroschka” eingegangen ist.
Hugo Hartung wollte nach dem großen Erfolg von „Ich denke oft an Piroschka”seine frühere Jugendliebe wiedertreffen.
Das passierte 1956 in Budapest. Er war 54 Jahre alt damals und seine „Piroschka” 47 .
Sie war verheiratet, hat den Nachnamen ihres Mannes angenommen und hieß Katalin Draskovits.
Hartung schrieb auch darüber eine Erfolgsgeschichte und zwar unter dem Titel „Wiedersehen mit Piroschka”.
Die originale „Piroschka” hat ganz genau so unwiderstehlich deutsch gesprochen, wie die im Film.
Für die Eltern von Katalin war es aber unangenehm.
Um ihr „Piroschka“- Deutsch (der Ausdruck ist von Dietmar Grieser) zu verbessern, schickten die sorgfältigen Eltern sie nach Wien.
Herr Grieser fand sogar in dem Schülerregister des Instituts der Schwester von der heiligen Kindheit Jesu und Mariä in Wien-Rodaun ihren Namen., wohin Katalin- „Piroschka” zur Schule geschickt wurde.
Als später eine Berufsschule aus dem Internat geworden ist, nannte man es „Knödelakademie” im Volksmund.
Katalin war ab September 1925 Internatszögling bei den Schwestern.
Sie ist mit 92 Jahren am 18. November 2001 gestorben, überlebte Hugo Hartung um 29 Jahre.

Von Hódmezővásárhely-Kutasipuszta bis Székkutas

Kennt man jetzt schon „Ich denke oft an Piroschka” in Ungarn?
Ja, sowohl den Roman als auch den Film kennt man schon einigermaßen in Ungarn.
Mittlerweile wurde das Buch auch schon ins Ungarische übersetzt und das frühere Dorf Hódmezővásárhely-Kutasipuszta, wo die Handlung des Romans spielt, pflegt auch den Kult von Piroschka.
Allerdings hat das Dorf heute einen anderen Namen: Székkutas ist aus dem langnahmigen Hódmezővásárhely-Kutasipuszta geworden.
Székkutas hat eine Statue zu Ehren von Hugo Hartung 2009 auf dem Gelände des Dorfes aufgestellt.
Die Witwe von Hugo Hartung hat Székkutas einige Gegenstände des Schriftstellers geschenkt, die dort im Kulturhaus ausgestellt sind.
So hat „Ich denke oft an Piroschka” allmählich und ein wenig auch Ungarn erobert.

(Bildquelle: 2.bp.blogspot.com)


Autor: Elisabeth Balazs
Reiseleiterin in Budapest und Ungarn, mit viel Herz und Humor

Haben Sie Fragen zum Artikel oder zu Ungarn?
Welche Themen interessieren Sie? Worüber würden Sie gerne lesen?

Schreiben Sir mir bitte an: info@reisen-in-ungarn.de

oder rufen Sie mich an:

+36 20 9763 806

Ihre Elisabeth

2019-05-21T10:53:24+00:00